Interview mit Maria Hense
Ich freue mich riesig, dass Maria sofort zustimmte, als ich sie um ein Interviewtermin für meinen Blog bat. Sie hat mich bereits bei unserem ersten Treffen vor vielen Jahren persönlich sehr beeindruckt und sich seither nicht verändert: höchst kompetent und dabei bodenständig, stets freundlich und sympathisch, wissbegierig und immer auf der Suche nach alltagstauglichen Lösungen für Hunde und ihre Menschen.

Maria Hense ist seit 1994 approbierte Tierärztin. Bereits während des Studiums lag ihr Interessensschwerpunkt auf Verhalten und Haltung von Tieren. Sie beobachtete Wölfe, Pudelwölfe und Hunde im Rahmen wissenschaftlicher Forschung und besuchte unzählige Fortbildungen in den Bereichen Ethologie, Haltung und Verhalten von Haustieren, Verhaltensprobleme und –therapie sowie Hundetraining, bevor sie sich selbst mit einer tierärztlichen verhaltenstherapeutischen Praxis in Warstein im Sauerland niederließ. Bereits seit 1998 gibt sie ihr umfangreiches Wissen über artgerechte Haltung und Verhalten von Hunden als Dozentin und Referentin weiter. Sie ist außerdem Dozentin bei der ATN AG, Akademie für Tiernaturheilkunde in der Schweiz sowie bei Thomas Riepes Hundepsychologenausbildung. Sie ist Mitglied bei der GTVMT Gesellschaft für Tierverhaltensmedizin und –therapie e.V , im IBH e.V. Internationaler Berufsverband für Hundetrainer, im ESCVE European Society of Veternary Clinical Ethology sowie Full Member der Pet Dog Trainers of Europe.
Maria Hense hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, einige gemeinsam mit Christina Sondermann. Ihre Veröffentlichungen sind absolut empfehlenswert. Ihr findet die entsprechenden Links, wie gewohnt, am Beitragsende.
Ich habe mich mit Maria über das Thema Begegnungs- und Kommunikationstraining unterhalten:

Warum haben so viele Hunde heute Probleme, fremden Artgenossen zu begegnen?
Weil Begegnungsprobleme Normalverhalten sind. Nicht immer, aber sehr oft.
Viele junge Hunde versuchen außerordentlich eifrig, zu anderen Hunden hin zu gelangen. Vielleicht bellen sie dabei aufgeregt und ziehen an der Leine. Das ist oft völlig normal – gerade rund um die Pubertät.
Übrigens gibt es ähnliche Zusammenhänge bei den Auslandshunden! Auch sie haben Schwierigkeiten, zu verstehen, warum die Leine (und der ungeschickte Mensch, der daran hängt), sie daran hindert, mit anderen Hunden zu kommunizieren.
Eine weitere Ursache sind territoriale Neigungen. Die meisten Hunde betrachten Wege, auf denen sie regelmäßig spazieren gehen, als ihr Territorium. Manche von ihnen werden deswegen ärgerlich, wenn sie auf diesen Wegen laufend fremde Hunde treffen.
Natürlich gibt es auch Hunde, die ihre Menschen beschützen. „Personenschützer“–Rassen wie Schäferhunde oder Dobermänner müssen lernen auszuhalten, dass fremde Hunde oder Menschen nahe an ihrer Bezugsperson vorbeigehen.
Angst kann ebenfalls eine Rolle spielen! Hat ein Hund zu wenig oder gar schlechte Erfahrung mit anderen Hunden gemacht – dann fürchtet er sich bei Begegnungen.
Der wichtigste Faktor ist jedoch die Leine – und damit der Mensch, der sich am anderen Ende befindet. Die Leine schränkt die Möglichkeiten zur friedlichen Kommunikation ein. Umso ungeschickter (zu kurze Leine, zu lange Leine, Ziehen an der Leine usw.) der Mensch mit der Leine umgeht – desto wahrscheinlicher werden Begegnungsprobleme.
Welche Lösungen bieten sich an?
Alle Techniken des „Begegnungstrainings“ lassen sich in zwei Kategorien unterteilen:
- Das „Passagetraining“ hat zum Ziel, mit dem Hund ruhig an anderen Hunden vorbei zu gehen. Oft wünscht sich der Mensch, dass der Hund dabei bei Fuß geht.
- Beim „Kommunikationstraining“ lernt der Hund, friedlich mit anderen Hunden zu kommunizieren – im Freilauf und an der Leine, mit Fremden und Freunden, in neutralen Situationen und in Konflikten.
Beide Kategorien sind wichtig! Das Passagetraining ist manchmal schnell erfolgreich. Im Kommunikationstraining muss der Mensch seinen Hund – und ganz allgemein die Hundesprache – sehr gut kennen lernen. Dann kann er seinen Vierbeiner gezielt darin fördern, angepasst zu kommunizieren.
Mir macht das Kommunikationstraining am meisten Spaß. Es ist unglaublich beglückend zu sehen, wie Mensch und Hund sich entwickeln.
Wie kann der friedliche Verlauf von Hundebegegnungen zusätzlich gefördert werden (Haltungsbedingungen, Beschäftigung, Gesundheit etc.)?
Hunde verhalten sich in Begegnungen gereizter, wenn sie Schmerzen haben, krank oder auf andere Weise gestresst sind. Alles, was zum Wohlbefinden des Hundes beiträgt, macht ihn gelassener – auch in Begegnungen.
Besonders wichtig ist für viele Hunde, ausreichend soziale Kontakte zu haben. Für meine zwei Hunde Ida und Bodo wünsche ich mir, dass sie täglich Hundefreunde treffen, und täglich an einem fremden Hund vorbei gehen müssen – ohne Kontakt zu haben. So bleiben ihre Fähigkeiten flexibel und angepasst. Deswegen versuche ich, meine Spaziergänge so zu gestalten, dass Ida und Bodo Hunde treffen, die sie mögen. Ich überlege sehr sorgfältig, von welchen anderen Hunden sie profitieren. Habe ich Zweifel – dann gehen wir ohne Kontakt weiter, oder halten uns bei dem anderen Hund nicht auf. Gehen alle Beteiligten gelassen, respektvoll und freundlich miteinander um – dann frage ich den anderen Halter, ob ich mich für ein paar Schritte anschließen kann. Und Bodo und Ida haben dann Zeit, sich mit dem anderen Hund oder den anderen Hunden zu beschäftigen – angeleint oder im Freilauf.
Übrigens: Spiel ist ein toller Bestandteil des Sozialverhaltens. Für begegnungsauffällige Hunde ist es jedoch viel sinnvoller, ruhige Hundekontakte zu haben. Bei ruhigen gemeinsamen Spaziergängen haben sie Zeit, andere Hunde zu beobachten, und auszuprobieren, welche körpersprachlichen Signale funktionieren. Nach und nach werden sie sozial kompetenter.
Kann der Mensch im Team mit seinem Verhalten Hundebegegnungen ebenfalls positiv beeinflussen?

Oh ja! Hunde wissen oft, was ihre Bezugspersonen gerade denken oder fühlen. Oft schauen sie ihre Menschen in schwierigen Situationen direkt an. Es ist, als ob sie fragten: „Da kommt ein Hund. Was denken wir darüber?“. Es ist mir wichtig, dass Ida und Bodo dann sehen: unser Frauchen ist entspannt, freundlich und freut sich auf den anderen Hund. Manchmal benutze ich die Stimme, um das zu betonen: „Schaut mal, wer da kommt. Was für ein hübscher Hund!“ Meine Stimme transportiert dann genau das, was ich will: gelassene, freundliche Neugierde.
Ein weiterer Trick ist, mit dem eigenen Verhalten vorzumachen, was der Hund machen soll. Bodo und Ida sind beide als Erwachsene zu mir gekommen. Beide waren in Begegnungen stürmisch. Also bin ich bei Sichtung eines Hundes selbst stehen geblieben und habe mich etwas seitlich gedreht. Ich bin langsam und entspannt näher gegangen und habe meine Annäherung immer wieder unterbrochen.
In dieser Situation habe ich jede Orientierung zu mir gelobt, oder durch eine Leckerchengabe gefördert.
Beim direkten Kontakt zum anderen Hund, habe ich meine Körperfront nicht zu den Hunden gedreht. Durch mein leicht abgewandtes Stehen habe ich es meinen Hunden leichter gemacht, die Situation wieder zu verlassen, wenn sie das wollten.
Mittlerweile macht es mir große Freude zu sehen, wie Bodo und Ida ihre Begegnungen gestalten!
Konflikte entstehen oft, weil Hunde zu lange zu dicht beieinander sind, oder weil sie glauben, sie könnten nicht weggehen. Deswegen fördere ich das Weggehen bei allen Hunden, die ich kenne! Ich lobe sie, wann immer sie ein Zusammensein mit Menschen oder Hunden verlassen. Weggehen ist (fast) immer gut!
Herzlichen Dank, Maria!!!
Maria Hense kann man auf zahlreichen Seminaren zu unterschiedlichen Themenbereichen persönlich erleben. Sie legt großen Wert auf eine positive Lernatmosphäre für Mensch und Hund. Viele ihrer Angebote sind Tagesseminare, die sich sehr viel leichter in volle Terminpläne integrieren lassen als mehrtägige Workshops:) Zum Blogthema „Begegnungs- und Kommunikationstraining“ bietet sie ein Seminar am 17. November 2019 bei animal Team in Schwerte an. Für diejenigen, die sich lieber auf der Couch zu Hause weiterbilden, sind ihre dog-ibox Webinare gedacht.
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