Wieviel Aktivität brauchen „Hütehunde“?

Während eines Tierarztbesuches im Dezember vergangenen Jahres wurde mir eine höhere körperliche Auslastung für unseren 1,5 jährigen Australian Shepherd Rüden Blue empfohlen: Blues Tierärztin, die er von klein auf kennt, hatte einen Notfall und so sprang eine neue Kollegin ein, die wir beide nicht kannten. Blue ist in einer sensiblen Lebensphase und noch jung und war bereits entsprechend aufgeregt, als wir die Praxis betraten. Die Situation in der Tierarztpraxis sowie die unbekannte Tierärztin, die sich aus seiner Sicht auch noch völlig merkwürdig verhielt und ihn nicht, wie erwartet freudig begrüßte, löste bei ihm hohe Erregung aus. Er reagierte mit Bellen und wollte nicht von ihr angefasst und untersucht werden. Ich wurde von ihr darauf hingewiesen, dass Blue ein Arbeitshund und anscheinend unausgelastet sei und daher überreagieren würde. Ich habe das mit Humor genommen und ihr gesagt, dass Blue noch nicht sehr fortgeschritten im Tierarzttraining und mit der Situation überfordert sei, weil er nicht mit ihr gerechnet hatte. Das sei nicht ihm, sondern eher mir anzulasten, weil ich ihn noch nicht ausreichend auf den Tierarztbesuch vorbereitet habe.

Leider wird nach wie vor, insbesondere bei gesunden Hüte- bzw. Treibhunden und anderen Arbeits- und Gebrauchshundrassen vor allem körperliche Auslastung empfohlen, wenn sie unruhig sind oder unerwünschtes Verhalten zeigen. Derartige Empfehlungen können für die betroffenen Hunde der Einstieg in einen Teufelskreis von Trainer- und Besitzerwechseln oder ein Leben bedeuten, das völlig an ihren Bedürfnissen vorbeigeht. Nicht selten werden diese Hunde dann wegen „Zeitmangels“ oder „Überforderung“ abgegeben, und wiederum mit entsprechenden Empfehlungen, die Hunde mit Hundesport oder täglichen mehrstündigen Spaziergängen, Fahrradtouren und Joggingrunden körperlich auszulasten, weitervermittelt.

Dabei wird meist völlig außer Acht gelassen, dass es sehr schwierig ist, gesunde Hunde der Arbeits- und Gebrauchshunderassen körperlich zu ermüden. Die hochsensiblen Hunde haben mit großer Wahrscheinlichkeit eher Schwierigkeiten durch nicht bedürfnisgerechte Beschäftigung und Haltung sowie Reizüberflutung und zu wenig Entspannungsmöglichkeiten herunterzukommen.

Layla und Blue haben täglich Gelegenheit, ungestört und in ihrem eigenen Tempo ihre Umwelt zu erkunden. Ganz oben auf Laylas und Blues Wunschzettel stehen jedoch Lauer- und Hetzspiele, die mit hoher Erregung und körperlicher Aktivität verbunden sind. Beides dürfen sie im gemeinsamen Spiel mit mir und miteinander ausleben. Layla findet außerdem gerne Stöckchen oder Futterdummies, die ich unterwegs „verloren“ habe, während Blue Stöcke lieber herumträgt und Zerrspiele bevorzugt. Er liebt Wasser und nutzt jede Gelegenheit, hineinzugehen. Layla hingegen geht nur ins Wasser, wenn es sich nicht verhindern lässt, z.B., wenn wir einen Bach überqueren müssen.

Unser aller Leben ist ein ständiger Wechsel von Aktivität und Ruhephasen, von Anspannung und Entspannung. Die Kunst ist es, ein möglichst optimales Gleichgewicht von Aktivität und Ruhepausen zu finden. Wie man die aktiven Phasen gestaltet, hängt ausschließlich von den individuellen Bedürfnissen des Einzelnen ab. Diese sind auch in Bezug auf unsere Hunde von ihrer Persönlichkeit und ihrer Umwelt abhängig und veränderlich. Bei Beschäftigungen, die mit einem hohen Erregungslevel einhergehen, sollte man unbedingt darauf achten, dass man die Hunde schrittweise „herunterfährt“. Das gelingt am Besten mit Futterspielen. Ein mit Futter befülllter Ball gibt dem Hund die Chance, sich allmählich von einem aufregenden Spiel zu verabschieden. Layla liebt es ebenfalls, einen Käsewürfel in meiner Hand zu belauern und hinterherzuspringen, wenn ich ihn wegschmeiße. Zum Abschluss gibt es dann bei uns immer noch eine große Handvoll Leckereien, die ich einfach auf der Wiese zum Suchen verstreue. Ein Abschlussritual gibt Hunden, genau wie kleinen Kindern, einen sicheren Rahmen. Zu wissen, was als nächstes passiert hat enormen Einfluss auf das Erregungslevel.

In dem kleinen französischen Dorf, in dem ich mit meiner Familie lebe, gibt es noch zwei aktive Schäfer, die mit Border Collies arbeiten. Keiner dieser Border Collies wird von den Schäfern an einer Leine spazieren geführt. Im Sommer kommen die Hunde etwa einmal in der Woche zum Einsatz, wenn die Schafe die Weide wechseln.

Im Winter bekommt man sie nur zu Gesicht, wenn ihre Besitzer die Zäune der Winterweiden flicken. Ansonsten sind sie im Haus oder erkunden das nahegelegene Gelände rund um den Hof. Alle Hunde, die ich im Laufe der Jahre kennengelernt habe, waren hochkonzentriert bei der Arbeit und ansonsten freundlich und ausgeglichen.

Unsere Layla hat mit ihren knapp 10 Jahren sehr viel Lebenserfahrung. Sie kann trotz ihres Alters sehr viel längere Spaziergänge bewältigen, als Blue mit seinen 1,5 Jahren. Blue ist z.B. in einem Hundeauslaufgebiet mit entsprechend vielen olfaktorischen Reizen und Hundebegegnungen schnell reizüberflutet. Wenn er beginnt zähflüssig oder schaumig zu speicheln, ist es höchste Zeit nach Hause zu gehen.

Blue sucht gerne körperliche Nähe und Streicheleinheiten, um zu entspannen

Spaziergänge in wildreichen Gebieten oder aber auf der „Mäusewiese“ bieten ständig Gerüche und Bewegungsreize, auf die unsere beiden Aussies sofort reagieren.

Layla kann sich mittlerweile sehr gut von den Reizauslösern lösen und sich für ein Ersatzspiel mit mir begeistern und lässt sich anschließend auch von einem hohen  Erregungslevel gut mit Futterspielen herunterfahren und entspannen. Blue gelingt das ebenfalls immer besser. Er ist jedoch altersentsprechend deutlich schneller durch die Umwelteindrücke „überladen“ und braucht derzeit noch mehr Unterstützung, herunterzukommen als seine erfahrene Partnerin.

Ich nutze sehr viele unterschiedliche Gebiete für unsere Spaziergänge, die ich je nach Tagesform auswähle. Nach einem sehr aufregenden Tag mit vielen Umweltreizen, suchen wir uns am Abend oder sogar für die nächsten Tage eine Gassierunde, die wenig Aufregendes bietet. Auch wenn ich persönlich am Liebsten mit unseren beiden Hunden draußen unterwegs bin, ist es sehr viel sinnvoller, sie ebenfalls mit ruhigen Spielen im Haus oder im Garten zu beschäftigen:

Für den Einstieg eignen sich intensiv riechende Futterstücke (hier Käse und Trockenfleisch)

Ein schönes Beispiel für eine solche Beschäftigungsmöglichkeit ist ein Schnüffelteppich, den man mit etwas Geschick auch selbst anfertigen kann. Im Video bekommt Blue den Schnüffelteppich in seiner Entspannungs- und Sicherheitszone.

Von meinem ersten Seminarbesuch bei Animal Team in Schwerte habe ich ein Kreativholzspiel mitgebracht, das wir seither mit Begeisterung für die Beschäftigung unserer Hunde im Haus nutzen. Ich habe mich als Einstieg für das Modul „Schatzsuche“ entschieden (weitere werden folgen:)).

 

Die mit viel Sorgfalt hergestellten Spiele enthalten eine ausführliche Beschreibung und Trainingsanleitung. Die Kreativholzspiele kann man nur exklusiv über Animal Team beziehen. Das Modell „Schatzsuche“ ist für Hunde, die bereits mit Leckerli bestückte Papierrollen kennen, fast schon selbsterklärend.

Weitere Beschäftigungsmöglichkeiten im häuslichen Umfeld, wie z.B. den Leckerlibaum, findet Ihr in meinem Blogbeitrag von 2018.

Sitzen und Beobachten sind ebenfalls Aktivitäten!

Im Video beobachten Layla und ich die Windsurfer in den Wellen. Layla sitzt ruhig vor mir, hechelt jedoch, obwohl es ihr aufgrund der milden Außentemperaturen Ende Oktober wahrscheinlich nicht zu warm ist. Sie weiß, dass einige Familienmitglieder auf dem Wasser unterwegs sind und nimmt ebenfalls die Aktivitäten von anderen Menschen und Hunden am Strand wahr.

 

In unserer ländlichen Umgebung lieben die Hunde es, ihre Umwelt einfach nur zu beobachten. Es passiert in der Regel gerade so viel, dass es nicht langweilig wird und so wenig, dass es nicht überfordert. Beide Hunde können sich gut selbständig von ihrem Beobachtungsposten lösen und ruhen oder schlafen, wenn sie von einer aktiven in eine ruhige Phase wechseln möchten.

Letzte Woche erhielt Blue die letzte Impfung im Rahmen seiner Grundimmunisierung. Diesmal hatte ich darauf bestanden, dass wir auch wirklich von Blues Lieblingstierärztin behandelt wurden. Er war zwar immer noch aufgeregt, bellte jedoch nicht und ließ alle notwendigen Untersuchungen vor der eigentlichen Impfung zu (sogar Fiebermessen!).

Wir hatten in der Zwischenzeit lediglich weiter am Tierarzttraining gearbeitet und die Praxis hin und wieder einfach nur betreten, einen Kaustreifen kassiert und wieder verlassen, ohne dass Blue behandelt wurde.

Er brauchte keine zusätzliche körperliche Auslastung, sondern weiterhin seiner Persönlichkeit und Tagesform angepasste Aktivitäten und Entspannungsmöglichkeiten sowie Tierarzttraining. Ausführliche Empfehlungen zur Entspannung findet Ihr in meinem Silvesterbeitrag.

 

 

Zum Weiterlesen, Vertiefen und Basteln:

Einen hervorragenden Beitrag über Hüte- und Hirtenhunde hat Doris Roth als Gastartikel für Easydogs geschrieben!!!

Dog-ibox Webinar zum Thema „Der Arbeits und Gebrauchshund in der Familie“ von Dr. Ute Blaschke-Berthold.

Rasseportrait des Australian Shepherd von Easy Dogs Rasseportraitverfasst von Dr. Ute Blaschke-Berthold, Bettina Bernhardt und Fabienne Fust zum Download von Easydogs.

Anleitung zum Selberbasteln einer Schnüffeldecke für Kreative.

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Zum Weiterlesen:

Für Aussie-Fans: