Dominanz – Alpha – Leadership und Co.

Die Mythen um Dominanz, Alpha und Co. halten sich hartnäckig, obwohl sie wissenschaftlich seit über 20 Jahren widerlegt sind. Ich halte mich daher hier nicht damit auf, Euch über den derzeitigen Stand der Wissenschaften zu informieren, sondern erzählte Euch lieber eine Geschichte:

Heute Morgen gegen 6 Uhr hallte das Bellen einen Fuchses ganz in der Nähe unserer Hauses durch das Tal. Typisch für die Jahreszeit, insbesondere während frostiger Winternächte. Füchse sind hier allgegenwärtig, zeigen sich jedoch nur selten, da sie schonungslos bejagt werden.

hier ist ein Fuchs vorbeigezogen – typisch das „Schnüren“

Bei unserer ersten Morgenrunde fand ich dann auch die Spur eines Fuchses im vom Raureif überzogenen Moos und zeigte sie Blue. Das ist unsere Art der gemeinsamen Kommunikation und täglichen Beschäftigung. Im Gegensatz zu unseren Hunden bin ich ein lächerlicher Fährtenleser, obwohl ich seit meiner Kindheit „tracke“. Meine besten Lehrer waren meine Hunde. Ich habe sie seit Kindertagen um ihre Sinne beneidet.

Als ich Blue die Spur zeigte, erwartete ich, dass wir ihr gemeinsam ein wenig folgen und mit Blues Hilfe vielleicht noch etwas Spannendes entdecken. Seine Reaktion war jedoch völlig anders, als erwartet: er schnupperte, hob die rechte Pfote und wand sich von der Spur ab. Er schüttelte sich und lief nicht, wie üblich, auf kürzestem Weg zum Pfad, der in die Streuobstwiesen führt, sondern lief einen großen Bogen über die Wiese, bis wir wieder die Fuchsspur kreuzten. Hier setzte er sich ab und weigerte sich, weiter zu gehen.

Aufgrund von Blues Reaktion, vermute ich, dass der Fuchs, dessen Spuren ich fand, ein Fuchs auf der Durchreise oder aber neu im Revier ist. Wahrscheinlich eher ein Rüde, als eine Fähe. Blue weiß es mit Sicherheit!

Wäre ich nun ein dominanter Hundeführer, hätte ich Blue erst gar nicht seine Umwelt erkunden lassen. Hätte er dann zufällig den Geruch des Fuchses in die Nase bekommen und inne gehalten, hätte ich ihn genötigt, mir zu folgen und mich wahrscheinlich über seinen Ungehorsam geärgert. Ich hätte mich noch nicht einmal gefragt, was ihn beunruhigt hat, sondern mich stur nach meinem vereinfachten Denkmuster verhalten. Wir Menschen wünschen uns, dass sich unsere vierbeinigen Gefährten wohlerzogen präsentieren. Egal, ob Hund oder Pferd – bei Katzen sind wir ja relativ erfolglos…

Foto: Frank Kribelbauer

Der gehorsame Hund und das kontrollierbare Pferd wird von unserer Gesellschaft erwartet und ist für uns Menschen ein Aushängeschild unserer eigenen Qualitäten. Die Theorien von Dominanz und Hierarchie sind dabei am einfachsten umzusetzen. Es gibt einfache Regeln, die für alle passend sind. Das eigene Tier zu beobachten, von ihm zu lernen und womöglich noch auf seine Bedürfnisse einzugehen, ist vielen zu anspruchsvoll.

Vereinfachte Denkmuster sind doch viel griffiger und auch leichter zu verkaufen. Erziehung im Sinne von Dominanz, Alpha und Co. lässt keinen Raum für Individualität, Erkunden der Umwelt und mindert somit die Lebensqualität unserer Vierbeiner enorm. Einen Hund an seiner Seiter zu haben ist ein großes Glück. Man kann viel von ihnen lernen und selbst daran wachsen oder aber weiterhin in Schubladen denken und seinen Hund ein Leben in Eintönigkeit und erlernter Hilflosigkeit fristen lassen.

Wenn ein stolzer Mensch mit seinem gehorsamen, total verspannten Hund an uns vorbeigeht, womöglich noch mit dem Smartphone beschäftigt, dann macht mich das sehr traurig. Wie kann man ein fühlendes Lebewesen, das an gemeinsamer Interaktion interessiert ist, derart ignorieren und in seinen kognitiven und emotionalen Bedürfnissen einschränken? Wenn ich am Hundesportverein vorbeigehe, dann hoffe ich, dass die Hunde, die gerade auf dem Gelände aktiv sind, auch ernsthafte Aufgaben gemeinsam mit ihren Menschen an anderen Tagen der Woche erledigen dürfen. Wir sehen die Welt durch unsere menschliche Perspektive und fühlen uns schnell unseren Tieren überlegen, weil wir sie mit Aufgaben langweilen, die gar nicht ihren Interessen entsprechen. Warum sollte ein Pferd zählen lernen (Kluger Hans) oder ein Hund die Namen von unzähligen Spieltieren unterscheiden können (Border Collie Rico)?

Es dauert im Schnitt etwa 30 Jahre bis sich neue wissenschaftliche Erkenntnisse in der Gesellschaft verbreitet haben. Dann liegen noch 9 lange Jahre vor uns. Bis dahin werde ich mich weiterhin für ein besseres Verständnis unserer Hunde einzusetzen.

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Zum Weiterlesen für diejenigen, die mehr darüber erfahren möchte, wie Hunde „ticken“und, was man sonst noch so alles mit ihnen unternehmen kann, abseits von Gehorsamstraining, Agility und Co.:

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Man kann die Bücher von Alexandra Horowitz grundsätzlich jedem empfehlen, der sich wissenschaftlich fundiert über den Blickwinkel unserer Haushunde informieren und ganz nebenbei noch lächeln möchte. Sie beschreibt selbst komplizierte Zusammenhänge klar verständlich und mit viel Sinn für Humor. Eines meiner persönlichen Lieblingshundebücher ist ihr Werk „Was denkt der Hund“: