Wilde Kerle – Rüden in der Pubertät
Wenn man sich auf den Internetseiten der Tierheime und Notseiten der jeweiligen Rassen umschaut, dann suchen vermehrt Rüden ein neues Zuhause. Das klassische Abgabealter setzt mit beginnender Pubertät ein. Häufig wird dann von zu wenig Zeit und Möglichkeiten zur Auslastung gesprochen oder von Kindern in der Familie, die man schützen möchte. Viele dieser Hunde haben sogar seit dem Welpenalter die Hundeschule besucht, beherrschen also die Grundkommandos, wurden zudem noch im zarten Alter kastriert und trotzdem…oder gerade deshalb! Wie kann es sein, dass einem keine andere Wahl bleibt, als den geliebten Hund abzugeben? Und das trotz Hundeschule, Spielgruppe, Freilauftreff und tierärztlicher Betreuung von Anfang an?
Leider sind insbesondere mehrgeschlechtliche Junghundegruppen und private Freilauftreffen ursächlich für die Verhaltensprobleme pubertärer Rüden, die sich leider im Erwachsenenalter nicht in Wohlgefallen auflösen werden. Ganz im Gegenteil:
Mit dem Einsetzen der Pubertät und Entwicklung der Geschlechtsreife steigen sowohl bei Rüden als auch Hündinnen die Pegel der jeweiligen Geschlechtshormone an. Das Ganze spielt sich für uns Menschen völlig außerhalb unserer Sinneswahrnehmung ab. Die Hunde nehmen die hormonellen Veränderungen ihrer Artgenossen mit ihren feinen Nasen jedoch sehr wohl wahr: aus anfänglichem sexuellem Interesse und Spiel wird plötzlich mehr: die anderen Hundejungs oder erwachsenen Rüden werden plötzlich zu Konkurrenten. Beides ist vom Menschen unerwünscht. Schließlich sollen die Hunde nur „spielen“ und sich auf uns und unser gemeinsames Training konzentrieren. Für Sexualverhalten und Rüpeleien haben Menschen kein Verständnis. Der fachlich nicht kompetente Hundetrainer empfiehlt nun Strafen und Begrenzungen. Die verzweifelten, wohlgemerkt zahlenden, Kunden, folgen dem Rat und finden sich völlig überfordert in immer riskanteren Situationen wieder. Unangekündigte Strafen führen sehr schnell dazu, dass Hunde wichtige Verhaltenssequenzen auf ihrer Eskalationsleiter nicht mehr zeigen, z.B. Knurren. Ein Hund, der nicht mehr knurrt, beißt einen Artgenossen ohne Vorwarnung!

Junge Rüden haben einen stark erhöhten Testosteronspiegel, sehr viel höher, als später im Erwachsenenalter. Testosteron bewirkt, dass Reaktionen sehr schnell, stark und lang anhaltend erfolgen. Ein heranwachsender Rüde regt sich häufiger, heftiger und länger andauernd auf, als seine erwachsenen Artgenossen. Der zusätzliche Stress, der durch die Anwesenheit der Hündinnen und anderen männlichen und als Konkurrenten wahrgenommenen Artgenossen, entsteht, kurbelt die Testosteronproduktion noch weiter an.

Gemischte Gruppenkonstallationen bilden vor diesem Hintergrund den Nährboden für Frustration und unerwünschtem Verhalten, bis hin zu Aggression. Das Gegenteil von dem, was wir eigentlich vom Besuch einer Hundeschule oder dem Besuch einer Freilaufgruppe erwarten.
Gleichgeschlechtliche Gruppen oder noch besser, gleichgeschlechtliche Lernspaziergänge in einer Umgebung mit einem ausgewogenem Maß an Umweltreizen sind eine Alternative. In unserer Menschenwelt wurden früher auch Jungen und Mädchen ab der Mittelstufe getrennt unterrichtet (daran merkt man, wie alt ich bin:)).
Auf einen niedrigeren Erregungsniveau und in einem Umfeld, das ihnen so viel Lernerfahrungen, wie möglich, aber nicht mehr als nötig bietet (Pipistellen von anderen Hunden, andere Hunde mit ausreichend Abstand passieren), können die jungen Hunde Selbstkontrolle sowie alternatives Verhalten und den Wechsel von Erregung und Entspannung üben. Diese Möglichkeiten bieten leider nur wenige Hundeschulen an. Es lohnt sich sicherlich, gezielt nachzufragen, ob ein Training in gleichgeschlechtlichen Gruppen oder in Zweierteams angeboten werden könne.
Eine Kastration aufgrund von unerwünschtem, insbesondere reaktivem Verhalten führt leider allzu oft nicht zu dem erwünschten Erfolg, da das problematische Verhalten häufig erlernt wurde (z.B. bei unangekündigter Strafe im Falle von Knurren, das dann nicht mehr gezeigt wird und den jungen Rüden unberechenbar für seine Artgenossen macht). Mit dem Einsatz eines Kastrationschips kann man zunächst das Verhalten des Hundes einschätzen, bevor man sich tatsächlich für eine Kastration entscheidet, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Dies ist jedoch erst nach Abschluss der Pubertät bei einem ausgewachsenen Hund und abgeschlossener Gehirnentwicklung anzuraten. Tierärzte mit einer verhaltenstherapeutischen Zusatzausbildung können das Verhalten des Hundes beurteilen und beraten.

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Zum Vertiefen und Weiterlesen für Jungs und Mädels in der Entwicklung:
Einen Überblick zum Thema Kastration bietet folgendes Buch von Sophie Strodtbeck. Sie ist mittlerweile „die“ Expertin in Bezug auf Kastration und Verhalten bei Haushunden: